Einigung über Omnibus-Richtlinie zum EU-Verbraucherrecht

Im März 2019 hatte der EU-Ministerrat im Rahmen des „New Deal for Consumers“ seine Position zur Omnibus-Richtlinie mitgezielten Änderungen an vier bestehenden Richtlinien aus dem Bereich des Verbraucherschutzes angenommen (RL 2005/29/EWG über unlautere Geschäftspraktiken, Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, RL 93/13/EWG über missbräuchliche Vertragsklauseln und RL 98/6/EG über Preisangaben).

Die Änderungen umfassen u.a. die Einführung von EU-weit harmonisierten Bußgeldern bei Verbraucherrechtsverstößen, individuelle Rechtsansprüche für Verbraucher sowie ein Verbot von sog. Doppelqualitäten von Produkten im EU-Binnenmarkt.

Vergangenen Freitag haben sich Rat, Parlament und Kommission im Trilog auf eine gemeinsame Linie verständigt.

Zu den für den Handel wichtigsten Aspekten der Einigung:

  • Verbot von Doppelqualitäten von Produkten: Der Rat hat sich hier weitgehend durchgesetzt, womit das Verbot in Artikel 6 Absatz 2 der UGP-Richtlinie belassen wird. Das Parlament hatte gefordert, das Verbot in die schwarze Liste im Anhang zu verschieben. Demnach ist eine identische Vermarktung(!) eines Produktes, das in verschiedenen Versionen in mehreren Mitgliedstaaten verkauft wird und dabei „signifikant“ unterschiedliche Zusammensetzungen oder Charakteristika aufweist, verboten – es sei denn die Unterschiede lassen sich durch legitime und objektive Faktoren rechtfertigen. In den Erwägungsgründen wird eine offene Liste mit beispielhaften Rechtfertigungsgründen aufgeführt, warum Händler Produkte durchaus an verschiedene, geografische Märkte anpassen dürfen, wie z.B. die (saisonale) Verfügbarkeit bestimmter Zutaten/Rohmaterialien, freiwillige Strategien zur Verbesserung des Zugangs zu gesunden Lebensmitteln oder Anforderungen des nationalen Rechts. Eine Kenntlichmachung der entsprechenden Unterschiede ist im Artikel nicht vorgeschrieben, in den Erwägungsgründen wird dies jedoch als Faktor aufgeführt, den zuständige nationale Behörden berücksichtigen sollen, wenn sie einen solchen Fall beurteilen. Es wird den Händlern allerdings weitgehende Freiheit gewährt, wie sie dem Verbraucher die Information zur Verfügung stellen (auf dem Produkt, am Regal, etc.). Zudem wurde eine Überprüfung dieser speziellen Vorschrift nach zwei Jahren in den Text aufgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob das Verbot nicht doch in den Anhang I überführt werden sollte.
  • Keine Korrekturen beim Widerrufsrecht im Online-Handel: Laut Kommissionsvorschlag sollte Folgendes aufgenommen werden. Im Laufe des Verfahrens wurden diese beiden Punkte ersatzlos gestrichen.
    1. Der Händler kann bei einem Widerruf die Erstattung der Kosten an den Verbraucher solange zurückhalten, bis das Produkt auch bei ihm zur Prüfung eingetroffen ist.
    2. Bei einem über das Notwendige hinaus gehenden Gebrauch der Ware durch den Verbraucher wird ein Widerruf des Kaufs ausgeschlossen, um den Missbrauch dieser Regelung einzudämmen.
  • Harmonisierte Geldbußen bei Verbraucherrechtsverstößen: Die Kommission schlug vor, dass Staaten für einen sog. „weitereichenden Verstoß“ wie in der CPC-Verordnung 2017/2394/EU definiert (sprich einem Verstoß, der Verbraucher in mind. zwei weiteren Mitgliedstaaten betrifft) maximale Geldbußen von mindestens 4 Prozent des kumulierten Umsatzes in den betroffenen Ländern im nationalen Recht festschreiben müssen, durchsetzbar durch Behörden und/oder Gerichte. Der finale Text fordert die Mitgliedstaaten nun auf, nur in Fällen, in denen auch koordinierte Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen der CPC-Verordnung erfolgen, die Möglichkeit eines solchen Bußgelds vorsehen sollen. Mitgliedstaaten können das Verhängen von Geldbußen auf Verletzungen der Artikel 6, 7, 8, und 9 sowie des Anhangs I der UGP-Richtlinie beschränken, allerdings entspricht dies den elementaren Vorschriften dieses Rechtsaktes. Um die Einheitlichkeit der Strafen zu garantieren, sollen die zuständigen Behörden oder Gerichte bei der Entscheidung über eine Geldbuße bestimmte Kriterien berücksichtigen, wie die Dauer des Verstoßes, etwaige Maßnahmen des Händlers zur Minimierung des Verbraucherschadens oder relevante vorherige Verstöße. Sollten keine Informationen über den Umsatz eines Händlers vorliegen, sollen die Mitgliedstaaten maximale Geldbußen von mindestens 2 Millionen Euro festsetzen. Diese neue Vorschrift soll in alle der oben genannten Richtlinien aufgenommen werden, außer in die Richtlinie 98/6/EG über Preisangaben
  • Recht auf individuelle Rechtsbehelfe für Verbraucher: Bei Verstößen gegen die UGP-Richtlinie sollen für Verbraucher individuelle, „verhältnismäßige und effektive“ Abhilfemöglichkeiten zur Verfügung stehen, inkl. der Möglichkeit zur Minderung, zur Vertragsbeendigung bzw. zum Verlangen von Schadensersatz. Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, die Bedingungen zu bestimmen, unter welchen diese Regeln greifen. Eine Ergänzung, dass auf nationales Recht Rücksicht genommen werden soll, dürfte nicht ausreichen, zu vertreten, diese Vorgaben seien bereits im BGB umgesetzt.
  • Mehr Transparenz im Online-Handel:
  • Neue Verbote in der schwarzen Liste der UGP-Richtlinie:
    • Werden bei einer Suche auf einem Marktplatz, in einem Online-Shop oder auf einer Preisvergleichswebseite auch bezahlte/beworbene „Suchresultate“ aufgeführt und diese nicht deutlich gekennzeichnet bzw. von den organischen Suchergebnissen abgegrenzt, soll dies zukünftig als unlautere Geschäftspraktik gelten.
    • Zudem soll es verboten sein, den Eindruck zu erwecken, dass eine Produktbewertung von einem Verbraucher abgegeben wurde, der das Produkt gekauft oder benutzt haben soll, ohne angemessene und verhältnismäßige Schritte einzuleiten, um sicherzustellen, dass diese Bewertung tatsächlich von solch einem Verbraucher stammt.
    • Letztlich soll es ebenso verboten sein, falsche Verbraucherbewertungen zu veröffentlichen bzw. in Auftrag zu geben, um damit gezielt Produkte zu bewerben.
  • Neue Informationspflichten in der UGP- und. Verbraucherrechterichtlinie:
    • Haben Verbraucher die Möglichkeit über eine Suche nach Angeboten von verschiedenen Händlern oder Verbrauchern zu suchen, müssen sie zukünftig über die für das Ranking von Produkten verwendeten Kriterien sowie über die relative Bedeutung dieser Kriterien informiert werden. Algorithmen müssen dabei nicht offen gelegt werden.
    • Sofern ein Händler Bewertungen von Verbrauchern anzeigt, muss er darüber informieren, ob und wie er sicherstellt, dass diese Bewertungen tatsächlich von Kunden stammen, die das Produkt gekauft oder genutzt haben.
    • Bei den vorvertraglichen Informationen müssen Verbraucher in Zukunft auch auf die Existenz der gesetzlichen Gewährleistung hingewiesen werden, sowie ggf. darüber informiert werden, dass der ihnen angezeigte Preis durch automatisierte Entscheidungssysteme personalisiert worden ist. Rein dynamische (bzw. „real time-“) Preissetzung, ohne personalisierendes Element, ist davon nicht betroffen.
    • Letztlich muss für den Verbraucher auf Online-Marktplätzen zudem klar ersichtlich sein, ob der Anbieter eines Produktes ein Händler ist (oder eine Privatperson), ob EU-Verbraucherrecht auf die Transaktion angewendet wird (was bei einem C2C-Verkauf nicht der Fall ist) und wer der für die Einhaltung der Verbraucherrechte verantwortliche Vertragspartner ist (in Abgrenzung zum Marktplatz), bzw. ob die Verantwortung sich ggf. zwischen dem Anbieter und dem Plattformbetreiber aufteilt.
  • Informationen über Preise: Bei jeder Information über einer Preisreduktion muss auch der vorherige Preis aufgeführt werden, den der Händler für eine Dauer von mindestens 30 Tagen (vor der Reduktion) für das jeweilige Produkt verlangt hat.

Allgemeine Bewertung: Wenige Wochen vor der Europawahl trägt diese Einigung eine klar verbraucherfreundliche Handschrift. Neben zahlreichen Verschärfungen – besonders bei den Informationspflichten - wurde im Laufe des Verfahrens der aus Sicht des Handels einzig positive Aspekt (zum Widerruf) aus dem Kommissionsentwurf gestrichen. Den Abgeordneten (aller Parteien) ist trotz mehrfacher und vehementer Intervention von Seiten der Wirtschaft nicht klar geworden, dass es hier nicht um die Abschaffung des Rechts auf Widerruf geht, sondern lediglich um eine sinnvolle Korrektur bei Beibehaltung des grundsätzlichen Prinzips. Beim Thema Doppelqualitäten sind Fortschritte im Vergleich zum Kommissionsvorschlag zu verzeichnen. So ist ein Produkt nur betroffen, wenn es in drei EU-Mitgliedstaaten verkauft wird und das Verbot wurde durch die offene Rechtfertigungsmöglichkeit leicht entschärft - während die Faktoren der Rechtsunsicherheit allerdings bestehen bleiben (Wann sind Produkte „identisch“? Was ist eine „wesentlich unterschiedliche Zusammensetzung“? Zu welchem Referenzprodukt sollen Unterschiede bestimmt werden?). Auch die Tatsache, dass das Verbot in Artikel 6 der UGP-Richtlinie bleibt und nicht in den Anhang verschoben wird, ist positiv, da so eine Einzelfallanalyse möglich bleibt. Allerdings trägt weiterhin derjenige die Verantwortung, der ein Produkt „vermarktet“ (sprich anbietet/verkauft), und nicht derjenige, der den Verstoß begeht. Damit ist das Verbot so formuliert, dass der Händler für den Hersteller verantwortlich und haftbar gemacht werden kann, welcher diese mutmaßlich irreführende Geschäftspraxis betreibt, obwohl die Produktzusammensetzung und –gestaltung durch den Hersteller vollkommen außerhalb des Einflussbereichs des Händlers liegt. Bei den Transparenzanforderungen im Online-Handel wurde letztlich eine verhältnismäßigere Linie als im Parlament gewählt. Dennoch gibt es zahlreiche neue Informationspflichten, denen kaum Vereinfachungen für die Händler gegenüberstehen (z.B. Wegfall der verpflichtenden Angabe einer Faxnummer). Bei den Bußgeldern wurden sinnvolle Einschränkungen aufgenommen, auch wenn die (hohen) Strafen selbst bestehen bleiben, obwohl sie dem deutschen System bisher fremd waren.

Nächste Schritte: Die vorläufige Einigung muss nun noch jeweils formal von den EU-Botschaftern (heute) und dem EP-Binnenmarktausschuss (2. April 2019) sowie letztlich vom EP-Plenum und dem Ministerrat angenommen werden. Dies wird voraussichtlich bis Mitte April 2019 geschehen. Die verabschiedete Richtlinie wird dann im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt am 20. Tag nach dieser Veröffentlichung in Kraft. Nach zwei Jahren müssen die EU-Vorgaben in nationales Recht umgesetzt worden sein. Nach weiteren sechs Monaten sollen die geänderten Vorschriften angewendet werden - also ungefähr im November 2021.

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