Parlament legt Berichtsentwurf zur Überarbeitung des EU-Verbraucherrechts vor

Am 11. April 2018 hatte die Europäische Kommission im Rahmen des sog. „New Deal for Consumers“ einen Vorschlag für eine Omnibus-Richtlinie mit gezielten Änderungen an vier bestehenden Richtlinien aus dem Bereich des Verbraucherschutzes vorgelegt.

Obwohl im Rahmen des bis Juni 2017 durchgeführten Fitness-Checks der EU-Verbraucherschutzgesetzgebung kein zwingender Handlungsbedarf ermittelt werden konnte, kam diese Untersuchung zu dem Ergebnis, dass bei Verstößen gegen materiell-rechtliche Bestimmungen eine verschärfte Durchsetzung erfolgen müsse. Die geplanten Änderungen an vier bestehenden Richtlinien (RL 2005/29/EWG über unlautere Geschäftspraktiken, Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, RL 93/13/EWG über missbräuchliche Vertragsklauseln und RL 98/6/EG über Preisangaben) umfassen die Einführung von EU-weit harmonisierten Bußgeldern bei Verbraucherrechtsverstößen, individuelle Rechtsansprüche für Verbraucher sowie ein Verbot von sog. Doppelqualitäten von Produkten im EU-Binnenmarkt. Diese und weitere Aspekte sieht der HDE außerordentlich kritisch und hat deshalb eine Stellungnahme erarbeitet.

Nun hat der zuständige Berichterstatter Daniel Dalton (UK, ECR) im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes seinen Berichtsentwurf zu dem Vorschlag vorgelegt. Sie finden den Text angehängt auf Englisch, er wird in Kürze hier auch auf Deutsch verfügbar sein.

Zu den für den Handel wichtigsten Aspekten des EP-Berichts:

  • Harmonisierte Strafen bei Verbraucherrechtsverstößen: Die Kommission schlug vor, dass Staaten für einen sog. „weitereichenden Verstoß“ wie in der CPC-Verordnung 2017/2394/EU definiert (sprich einem Verstoß, der Verbraucher in mind. zwei weiteren Mitgliedstaaten betrifft) maximale Geldbußen von mindestens 4 Prozent des kumulierten Umsatzes in den betroffenen Ländern im nationalen Recht festschreiben müssen. Hinsichtlich der Höhe der Bußgelder schlägt der Berichterstatter vor, nur Fällen, in denen koordinierte Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen der CPC-Verordnung erfolgen, auf die Bemessung nach Umsatzhöhe zurückgegriffen werden soll. Zudem wird vorgeschlagen, das „mindestens“ vor „mindestens 4 % des jährlichen Umsatzes“ zu streichen (ÄA 22/47/52). Zudem sollen Mitgliedstaaten die Einnahmen aus Bußgeldern nutzen, um einen Fonds aufzusetzen, der den durch die Verstöße geschädigten Verbrauchern zu Gute kommen soll (ÄA 23/40/48/53).
  • Recht auf individuelle Rechtsbehelfe für Verbraucher: Bei Verletzungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP) sollen für Verbraucher individuelle Abhilfemöglichkeiten zur Verfügung stehen, konkret die Möglichkeit zur Vertragsbeendigung bzw. zum Verlangen von Schadensersatz (sollte kein Vertrag geschlossen worden sein). Neben textlichen Vereinfachungen (ÄA 17) schlägt der Berichterstatter lediglich vor, dass bestehende Gewährleistungsansprüche den Ansprüchen aus der UGP-Richtlinie vorgehen sollen (ÄA 18), wobei aus dem Formulierungsvorschlag nicht deutlich hervorgeht, welche Konsequenzen dieser tatsächlich hätte. Die Einführung von Vertragsfolgen ins UWG dürfte er nicht verhindern.
  • Erleichterungen für Online-Händler: Laut Kommissionsvorschlag soll Folgendes aufgenommen werden:
    1. Bei den zwingenden vorvertraglichen Informationen zur Identität des Händlers (Postadresse, Email, etc.) ist eine Angabe der Faxnummer nicht länger nötig. Statt einer E-Mail-Adresse sollen nun auch andere Möglichkeiten der Online-Kommunikation (z.B. Chats wie WhatsApp) angegeben werden können (Art. 2 Abs. 3).
    2. Beim Abschluss eines Vertrages per Telefon oder SMS muss auf Grund des begrenzten Platzes bzw. der begrenzten Zeit kein Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden. Es reicht dann aus, das Formular, z.B. auf der Händlerwebseite anzugeben (Art. 2 Abs. 6).
    3. Der Händler kann bei einem Widerruf die Erstattung der Kosten an den Verbraucher solange zurückhalten, bis das Produkt auch bei ihm zur Prüfung eingetroffen ist (Art. 2 Abs. 7).
    4. Bei einem über das Notwendige hinaus gehenden Gebrauch der Ware durch den Verbraucher wird ein Widerruf des Kaufs ausgeschlossen, um den Missbrauch dieser Regelung einzudämmen (Art. 2 Abs. 9)
    5. Der Berichterstatter schlägt vor die wichtigsten Erleichterungen für Händler (Punkte c und d) vollständig zu streichen (ÄA 8-11, 31 & 35) mit der Begründung, dass er keinerlei Änderungen am Ablauf des Widerrufs unterstütze.
  • Verbot von Doppelqualitäten von Produkten: Eine gleichlautende Vermarktung eines Produktes, das in verschiedenen Versionen in mehreren Mitgliedstaaten verkauft wird und dabei signifikant unterschiedliche Zusammensetzungen oder Charakteristika aufweist, soll als unlautere Geschäftspraktik gelten und verboten sein. Soweit der Vorschlag der Kommission. Zu diesem Thema wird in den Erklärungen am Ende des Berichtsentwurfs zwar angedeutet, dass der Vorschlag der Kommission verbessert werden müsste, was der Eigeninitiativbericht des IMCO-Ausschusses angemerkt hätte, da dort aber keine konkreten Vorgaben gemacht würden, ergänzt der Berichtsentwurf nur die Erwägungsgründe 42 und 43. So soll die einheitliche Methodik, die vom Forschungszentrum der Kommission entwickelt wurde, für EU-weite Test angewendet werden können.
  • In allen Bereichen des Vorschlags (z.B. bzgl. der Transparenz auf Online-Marktplätzen) werden vom Berichterstatter nur kleinere, redaktioneller Änderungen vorgenommen.

Allgemeine Bewertung: Der Berichtsentwurf konzentriert sich auf wenige Änderungsvorschläge zum Kommissionsentwurf und ist insgesamt enttäuschend. Lediglich hinsichtlich des Vorschlages zum Widerrufsrecht wird eine Streichung gefordert, ansonsten beschränkt sich der Entwurf auf punktuelle Vorschläge, die wenig Verbesserungen mit sich bringen. Damit wird der aus Sicht des Handels einzig positive Aspekt aus dem Kommissionsentwurf gestrichen, was sich bei den Aussprachen im Ausschuss bereits deutlich abgezeichnet hatte. Den Abgeordneten (fast aller Parteien) ist trotz mehrfacher und vehementer Intervention von Seiten der Wirtschaft nicht klar geworden, dass es hier nicht um die Abschaffung des Rechts auf Widerruf geht, sondern lediglich um eine sinnvolle Korrektur bei Beibehaltung des grundsätzlichen Prinzips. In Bezug auf das Thema Doppelqualitäten haben sich andere Abgeordnete deutlicher aufgeschlossener gezeigt als der Berichterstatter, sodass zumindest eine Verbesserung und Klarstellung des Textes durchaus möglich erscheint. Auch der Berichterstatter selbst könnte sich mit diesem eher zurückhaltenden Berichtsentwurf noch Raum für eigene Änderungsanträge gelassen haben.

Nächste Schritte: Bis zum 18. September 2018 läuft die Frist für Änderungsanträge. Der HDE ist bereits mit Vorschlägen an die Schattenberichterstatter herangetreten und wird diese Arbeit nun intensivieren. Die Abstimmung im IMCO-Ausschuss des EP ist für Ende November 2018 vorgesehen, um möglichst um die Jahreswende mit dem Trilog beginnen zu können. Dafür muss sich allerdings auch der Rat auf eine gemeinsame Position verständigt haben. Zuletzt war der HDE mit einem Verbändeschreiben an Minister Altmaier aktiv geworden, um eine wirtschaftsfreundliche Positionierung der Bundesregierung in dieser Sache zu erreichen.